Bettina von Arnim
Bettina von Arnim, geb. 4.4.1785, gest. 20.1.1859 war
eine der Lichtgestalten der jüngeren Romantik. Verheiratet seit 1811 mit Achim von Arnim,
Schwester des Clemens von Brentano, der zusammen mit Achim von Arnim "Des Knaben
Wunderhorn" herausgegeben hat, war sie selbst literarisch sehr produktiv,
durchdrungen von schwärmerischer Bewunderung für Goethe. Mit Carl von Savigny, einem der
berühmtesten deutschen Juristen des 19. Jahrhunderts war sie verschwägert. Ihr Zusammenprall mit
der Bürokratie des Berliner Magistrats ist ein schönes Beispiel dafür, daß Geist und
Behörden ein konfliktträchtiges Potential darstellen.
Bettina von Arnim hatte nach Schwierigkeiten mit diversen Verlegern einen
Selbstverlag gegründet. Kurz darauf erhielt sie vom Magistrat der Stadt Berlin die
Aufforderung, das Bürgerrecht der Stadt zu erwerben, hierzu sei sie als Gewerbetreibende
verpflichtet. In ihrer Antwort führte Bettina von Arnim aus, daß sie weder
Buchhändlerin noch gewerbetreibende Person sei, das Bürgerrecht jedoch gerne als ein
freiwilliges Ehrengeschenk der Stadt Berlin annehme. Es dauerte fünf Monate, bis der
Magistrat auf dieses Schreiben wiederum antwortete, diesmal mit der Aufforderung, das
Bürgerrecht binnen acht Tagen zu beantragen und der Bemerkung, daß es keine Veranlassung
zu einer solchen Ehrenbezeigung wie der Verleihung des Ehrenbürgerrechts gebe.
Bettina von Arnim, zu diesem Zeitpunkt bereits berühmt und bekannt, muß sich über diese
Bemerkung im Schreiben des Magistrats so geärgert haben, daß sie zu einem langen
Antwortschreiben ansetzte, in welchen u.a. die Wendung vorkam, daß sie doch die
Angelegenheit klüger und weiser beurteile, als der Magistrat. Sie schlug vor, ihre beiden
Briefe zu versteigern und mit dem Erlös die Gebühren für das Bürgerrecht zu bezahlen,
den Mehrerlös zum Wohle der Stadt Berlin zu verwenden. Der Brief enthält weiter
Wendungen wie "..mein Ohr beleidigte.." u.ä., was vom Magistrat als "grobe
Beleidigungen" aufgefasst wurde. Dieser leitete das Schreiben deswegen postwendend an
die Staatsanwaltschaft mit der Bitte um Bestrafung weiter und teilte dies auch Bettina von
Arnim mit, nicht ohne Hinweis, daß sie es an nötigem Respekt gegenüber der Obrigkeit
fehlen lasse. Drei weitere Schreiben, in denen Bettina von Arnim versuchte den Magistrat
dazu zu bewegen, den Strafantrag zurückzunehmen, vermochten diesen nicht umzustimmen,
enthielten doch auch diese Schreiben Wendungen wie "Mangel an Klugheit und
Weisheit", "Philistertum" u.ä. mehr.
Ihr Verteidiger versuchte in seiner schriftlichen Stellungnahme die Ebene des Konflikts
darzustellen. Er wies darauf hin, daß auch eine Behörde die dichterische Freiheit und
einen literarischen Briefstil ertragen könne und müsse und sparte nicht mit dem Hinweis,
daß die Stadt Paris nicht so gegen eine George Sand vorgegangen wäre, wie dies die Stadt
Berlin gegen Bettina von Arnim tue.
Es half nichts. In Abwesenheit wurde Bettina von Arnim am 10. August 1847 vom
Kriminalsenat des Kammergerichts wegen leichter und schwerer Beleidigung des Magistrats
der Stadt Berlin zu zwei Monaten Gefängnis und zur Tragung aller Kosten verurteilt.
Auf Zuraten zahlreicher Freunde und entsprechend der Reaktionen in der Öffentlichkeit,
die über das Urteil empört war, wollte Bettina von Arnim diese Strafe antreten. Daraus
wurde nichts, weil die Staatsanwaltschaft ihrerseits Berufung mit dem Ziel einer höheren
Bestrafung einlegte.
Nun vesuchte ihr Schwager von Savigny zu vermitteln, die Stadt Berlin zur Rücknahme des
Strafantrags Zug um Zug gegen eine Entschuldigung der Angeklagten zu bewegen. Dies
scheiterte an der kategorischen Weigerung Bettina von Arnims, sich für irgendetwas zu
entschuldigen. Sie soll ihren Schwager sogar als "Herr von Leisetritt"
bezeichnet haben.
Vermutlich ausgelöst durch das mittlerweile enorme öffentliche Interesse, auch aus dem
Ausland, an dem Konflikt gab der Magistrat schliesslich klein bei und nahm den Strafantrag
zurück.
Ein unbeugsamer Geist hatte zumindest hier gegen die Bürokratie standgehalten.
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