Gebrauchsanweisung für Rechtsanwälte

Lieber Rechtsanwalt, wenn Du eine erfolgreiche Kanzlei führen willst, solltest Du im Umgang mit Mandanten ein paar wichtige Grundregeln beherzigen.

Heize Dein Wartezimmer nicht. In einem wohlig warm geheizten Wartezimmer kommt der Mandant in eine gelöste, lockere, aufgeräumte Stimmung. Es steht zu befürchten, daß er den Aufenthalt in Deiner Kanzlei geniesst und ihn zu verlängern gedenkt. Vielleicht käme er sogar auf die Idee, Dir den Sachverhalt seines Falles ausführlich und vollständig vorzutragen. Nix da. Zeit ist Geld. Deine Kanzlei schnellstmöglich wieder zu verlassen muß sein Sinnen und Trachten sein.
Im Sommer erreichst Du einen ähnlichen Effekt, wenn Du weder lüftest, noch die Rolläden runterlässt.
Selbstverständlich sollte auch nichts anderes den Aufenthalt in Deinem Wartezimmer angenehm gestalten. Wenn schon Bilder an den Wänden, dann bestenfalls den röhrenden Hirsch, die schwarze Zigeunerin oder Jesus auf dem Ölberg.
Lektüre ist gut. Leg Deine alten SPIEGEL im Wartezimmer aus. Nichts ist interessanter, als ein Exemplar des SPIEGEL vom letzten Jahr. Hübsch sind auch veraltete Lehrbücher und Kommentare, z.B. Palandt, BGB, 1. Nachkriegsauflage oder Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts. Da der Mandant davon sicher kein Wort versteht, wird er einen Riesenrespekt vor Dir bekommen. Als Sitzgelegenheit reicht selbstverständlich eine alte Holzbank. Auch Deine ausrangierten Gartenmöbel, Dein Jugendzimmer oder durchgesessene Schreibtischstühle finden hier beste Verwendung. Eine gute Alternative ist, überhaupt kein Wartezimmer zu haben. Lass den Mandanten im Flur warten, mit Ausblick auf Deine Altpapiersammlung und den Getrenntmüll.
Solltest Du kein allzugrosses Wartezimmer brauchen, tut es zur Not auch ein Stuhl vor dem Schreibtisch Deiner Sekretärin. Dein Mandant bekommt gleich einen guten Eindruck vom Umfang deines Geschäftes, wenn er die Telefonate Deiner Sekretärin mithören kann.
Kommunikativ, wie sie ist, wird sie ihm zum einen oder anderen Gespräch sicher auch gern den Hintergrund des Falles erläutern. Auch im Zeitalter der Mehrfachrufnummernvergabe via ISDN solltest Du Deinem Mandanten doch das große Erlebnis eines Besetztzeichens gönnen, wenn er versucht, Dich anzurufen. Eine einzige Leitung auf der alle ein- und ausgehenden Telefonate und am besten auch noch die Faxe abgewickelt werden, reicht völlig. Ist die Leitung besetzt, merkt Dein Mandant wenigstens, daß sein Anwalt zu denen gehört, die etwas zu tun haben.
Sehr hübsch ist auch, auf dem Briefkopf eine Faxnummer zu haben, aber kein funktionierendes Fax.
Rufe grundsätzlich nicht zurück. Das könnte als Schwäche ausgelegt werden.
Die Besprechungen mit Deinen Mandanten unterliegen den Gesetzen der Psychologie. Achte auch in der Einrichtung Deines Sprechzimmers darauf. Sicher wirst Du auf irgendeinem Trödelmarkt noch 60er Jahre Clubsessel finden, auf denen das Gesäss höchsten 5 cm über dem Erdboden ist. Nimm die als Sitzplätze für Deine Mandanten. Du selbst sitzt natürlich auf einem bequemen Ledersessel und thronst hoch über Deinem Mandanten.
Auf dem hohen Roß. Das ist überhaupt Dein Stichwort. Schliesslich hast Du studiert. Und zwar Jura. Dir gehört die Welt. Daß Du Dich mit Normalsterblichen abgibst, ist ohnehin schon eine Gnade. Und mach Dir nichts draus, daß jährlich mehrere hundert junge Rechtsanwälte ihre Zulassung erhalten, wesentlich mehr, als alte Rechtsanwälte in den Ruhestand gehen. Dienstleister? Dann hättest Du ja gleich Verkäufer werden können. Oder Versicherungsvertreter.

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