Gebrauchsanweisung für Mandanten
Lieber Mandant, um Dein Ziel zu erreichen solltest Du
wichtige Grundregeln beherzigen.
Du hast Dich sicher auf Deinen Schulabschluss vorbereitet. Sicher auch auf die Prüfungen,
die Du für Deinen Beruf brauchtest. Das ist genug der Vorbereitung. Bereite Dich nicht auf
Dein Erstgespräch mit Deinem Anwalt vor. Das muß nicht sein. Was Du an
Sachverhaltsschilderung vergisst, errät er schon. Spätestens im Prozeß wird Dein Gegner
vortragen, was Du vergessen hast. Wenn Du Deinem Rechtsanwalt Dein Problem schilderst,
fang grundsätzlich bei Adam und Eva an. Schmücke alles möglichst lebhaft aus und stelle
Deine Rolle in möglichst günstigem Licht dar. Lass den Anwalt spüren, daß Du Dich auch
auskennst. Zitiere ihm die Urteile, die Du im Wartezimmer Deines Zahnarztes in
entsprechenden Fachzeitschriften wie "St. Pauli Bote", "FKK zum
Mitmachen" und "Zeitschrift für das gesamte Friseusinnenwesen" gelesen
hast. Hast Du in Deiner Sache bereits Unterlagen, Schriftverkehr, Urkunden oder Dokumente,
komm bloß nicht auf die Idee, diese Papiere gleich beim ersten Mal vollständig
mitzubringen. Dein Anwalt liebt es, noch ein bißchen im Ungewissen gehalten zu werden.
Komm auch nicht auf die Idee, diese Dokumente chronologisch zu ordnen. Pack alles in eine
ALDI-Einkaufstüte und drück es Deinem Anwalt in die Hand. Er wird sich schon
zurechtfinden.
Widersprich Deinem Anwalt so häufig wie möglich. Das stimuliert seinen Verstand und
trainiert seine rednerischen Fähigkeiten, was Dir im Prozeß nur nützen kann.
Solltest Du auf einen Anwalt stossen, der, nachdem er Dir zugehört hat, Deine Papiere
gelesen hat und mehrere Nachfragen zum Sachverhalt gestellt hat, Dir von einer Klage
abrät, verlass den so schnell wie möglich. Ein Anwalt, der Dich über zwei Instanzen
vertritt, verdient dabei etwa das 15fache von dem, was er für eine Beratung, also das
Abraten vom Prozeß bekommt. Wer sich so um seine Verdienstmöglichkeiten bringt, kann
nicht ganz bei Trost sein. Du brauchst aber einen kämpferischen Anwalt, keinen
Verrückten. Rät Dir auch der nächste Anwalt vom Prozeß ab, probier es beim nächsten
und beim übernächsten. Du wirst schon noch einen finden, der in Deiner Sache klagt. Und
sei sicher, es wird sich eine tiefe Freundschaft zu diesem Anwalt entwickeln. Wenn der
Prozeß nach zwei oder drei Instanzen endgültig verloren ging und dann auch noch der
Bescheid des Bundesverfassungsgerichts über die Verhängung einer Mißbrauchsgebühr da
ist, seid Ihr in leidvoller Erfahrung aneinandergekettet. Bis dahin kennt Ihr Euch schon
lange Jahre, haltet weiter den Kontakt. Macht am besten einen Stammtisch der
Justizgeschädigten auf. Und vergesst nicht, die neuen Medien zu nutzen. In pinboards von
Rechtsforen und Internet-Newsgroups werdet Ihr viele Gleichgesinnte finden, die doch Recht
hatten, es aber nicht bekamen. Denn wisset, Ihr seid nicht allein. Egal, ob Du Deinen
Anwalt selbst bezahlst, dies Deine Rechtsschutzversicherung tut oder Du gar mit einem
Beratungshilfeschein bei ihm aufgetaucht bist, Du hast ihn gekauft. Er gehört Dir. Rufe
täglich bei ihm an. Frag ihn nach dem Stand Deiner Sache und dränge. Das braucht er.
Sei auch vor Gericht selbstbewusst. Lass die Richter spüren, daß
Du nichts von Ihnen hältst. Zeig ihnen deutlich, daß Du nur ein ungerechtes Urteil
erwartest.
Soviel Realitätssinn wird sie beeindrucken und sie werden sicher versuchen, Dich vom
Gegenteil zu überzeugen.
Lass es Dir nicht nehmen, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen. Bitte ums Wort, und
erzähl all das, was Dein Anwalt schon geschrieben hat noch einmal in Deinen eigenen
Worten. Das schafft Sympathien.
Solltest Du in einer Strafsache vor Gericht erscheinen
müssen, geht es etwa noch darum, ob man Dir nochmal Bewährung gibt, oder nicht,
beeindrucke das Gericht durch absolute Offenheit in Deiner Erscheinung. Zieh das
kurzärmliche verwaschene T-Shirt an, damit man die zahlreichen Tätowierungen auf Deinen
Oberarmen sieht. Gerade wenn da Sprüche wie "fuck the judge" zu lesen sind,
kommt das sicher gut. Hast Du bei der Frage nach Deinen Einkommensverhältnissen angegeben
Sozialhilfeempfänger, arbeitslos oder geringfügig Beschäftigter zu sein, trage in der
Verhandlung trotzdem Deine Rolex, das Massivgoldkettchen und den Brilli im Ohr. Das
Gericht wird beeindruckt sein, wie sparsam Du wirtschaftest.
Und egal ob vor Gericht oder beim Anwalt, denk immer dran:
Dich kann keiner.
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für Richter
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