Ehrenschutz bei den Kelten

Über die Kelten weiß man wenig. Aufgrund späterer schriftlicher Überlieferungen, archäologischen Funden und vergleichender Forschung geht man davon aus, daß sie ab dem fünften vorchristlichen Jahrhundert große Teile West-, Mittel-, Südeuropas sowie Kleinasiens bewohnten.

Schriftliche Überlieferungen sind z. B. von Herodot und natürlich durch Caesars gallischen Krieg erhalten, wobei dieser sich ausschließlich mit den linksrheinischen Kelten beschäftigt. Die Geschichte der Kelten ist geprägt durch die römische Expansion, nach der Unterwerfung Galliens durch Julius Caesar wurden auch die Balkangebiete und das Gebiet des heutigen Österreichs unterworfen. Man geht jedoch davon aus, daß keltische Tradition in einigen Gebieten über Jahrhunderte gehalten hat, so z. Bsp. in der Bretagne und vor allen Dingen in Wales, Schottland und Irland. Hier gibt es auch schriftliche Überlieferungen.

Aus diesen Überlieferungen, die von Generation zu Generation mündlich fortentwickeltes Recht für die Nachwelt festhielten, wissen wir, daß die Kelten einen bereits relativ hochentwickelten Ehrenschutz hatten.

Das keltische Recht kannte bereits Strafgelder bei der Verletzung der Ehre einer anderen Person. Man kannte auch das Wergeld bzw. Blutgeld im Falle der Körperverletzung oder der Tötung - dann an die Sippe des Getöteten zu zahlen - hiervon zu unterscheiden ist jedoch der "Ehrenpreis".

Die persönliche Ehre stand bei den Kelten hoch im Kurs. Es gab zahlreiche Möglichkeiten der Ehrverletzung, angefangen bei der einfachen Beleidigung bis hin zur Verletzung der sexuellen Integrität.

Bei aller aufgrund der Quellenlage gebotenen Vorsicht darf man anhand der vorhandenen Texte davon ausgehen, daß im erheblichen Unterschied zu anderen Völkerstämmen die Kelten die Vergewaltigung einer Frau als Verletzung von deren Ehre ansahen, nicht nur als Verletzung der Ehre der Familie bzw. Sippe. Und, viel wichtiger, der "Ehrenpreis" also das Buß- bzw. Strafgeld mußte vom Täter bzw. dessen Sippe an die vergewaltigte Frau ausgezahlt werden, nicht etwa an deren Familie.

Die Höhe des Ehrenpreises richtete sich offensichtlich nach der Stellung der Frau. Anknüpfungspunkt war das Bußgeld für eine Tötung. Wie schon bei einer Körperverletzung wurde bei der Vergewaltigung ein Abschlag vom festgelegten Blutgeld für eine Tötung gemacht, wobei für die Vergewaltigung einer Hauptfrau bzw. eines noch nicht verheirateten Mädchens der volle Betrag, der auch bei einer Tötung zu entrichten gewesen wäre, bezahlt werden mußte. Interessant bei der Betrachtung der Überlieferung keltischen Rechts ist auch, daß die keltische Kultur die vom Manne verschuldete Scheidung kannte. Der Ehemann, der seine Ehefrau durch Körperverletzung, Ehrverletzung oder sonstige Kränkung zum Scheidungsverlangen bringt, muß dieser sogar eine Geldbuße zahlen, obwohl sie auch noch den Brautpreis behalten darf.

Man kann also feststellen, daß die keltische Frau eine durchaus geschützte und rechtlich sanktionierte Eigenpersönlichkeit haben durfte. Lange, aber vermutlich ergebnislos wird man darüber diskutieren können, ob die Fortentwicklung keltisch geprägten Rechts das Verhältnis zwischen den Geschlechtern nachhaltiger und positiver beeinflußt hätte, als dies später christlich geprägte Rechtsvorstellungen taten.

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