Hauptmann von Köpenick
Am 1. Dezember 1906 wird Wilhelm Voigt von einer
Strafkammer des Landgerichts Berlin II wegen Amtsanmassung, Betrug, Freiheitsberaubung
schwerer Urkundenfälschung und unbefugtem Tragen einer Uniform zu vier Jahren Gefängnis
verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte 5 Jahre Zuchthaus gefordert. Wilhelm Voigt hat
von dieser Strafe 20 Monate abgesessen, wurde am 15. August 1908 begnadigt und starb am 3.
Januar 1922 in Luxemburg. Die Eigentümerin des bekannten Berliner Kaufhauses Wertheim
hatte ihm eine monatliche Rente von 100 DM ausgesetzt. Als "Hauptmann von
Köpenick" wurde er durch Zuckmayers Theaterstück unsterblich, mit Heinz Rühmann in
einer Paraderolle verfilmt gab der Stoff in jüngerer Zeit Harald Juhnke Gelegenheit zu
zeigen, daß er zu Glanzleistungen ausserhalb von Hotelbars fähig ist.
Was hatte Wilhelm Voigt getan?
Die Lokalzeitung "Köpenicker Dampfboot" bringt am 16. Oktober folgendes
Extrablatt heraus:
"Seit 4 Uhr nachmittags befindet sich unsere Bürgerschaft in größter Aufregung. Mit
dem Vorortzug 2 Uhr 46 traf von Berlin eine 20 Mann starke Abteilung Soldaten unter
Führung eines Hauptmanns auf dem Köpenicker Bahnhof ein, marschierte nach der Stadt und
besetzte das Rathaus. ....
Selbst den Mitgliedern der städtischen Behörden verweigerten die Soldaten den Zutritt
zum Rathause mit der Erklärung: 'Auf Befehl Seiner Majestät ist das Rathaus besetzt.'
... Die Aufregung stieg natürlich aufs höchste, als plötzlich die Herren Bürgermeister
Dr. Langerhans und Hauptkassenreferent v. Wiltberg als Arrestanten abgeführt und in
Droschken nach Berlin geschafft wurden. ...hat der Hauptmann erklärt, daß er in höherem
Auftrag das Rathaus und die Kasse zu besetzen habe. Er liess sich dann die Kasse
aufzählen - rund 4000 Mark - und verliess mit dem Auftrage, nach einer halben Stunde die
Wachen einzuziehen und nach Berlin zurückzukehren, mit dem Gelde das Rathaus..."
Wilhelm Voigt, der falsche Hauptmann, wurde nach zwei
Wochen gefasst.
Die Verlesung der Vorstrafenliste nahm geraume Zeit in Anspruch. Schon mit 14 Jahren 14
Tage Gefängnis wegen Diebstahls, ein Jahr danach drei Monate ebenfalls wegen Diebstahls,
ein Jahr später 9 Monate Gefängnis wegen erneuten Diebstahls.
Zwei Jahre später, gerade 18 Jahre geworden, wurde er wegen Urkundenfälschung zu
insgesamt 12 Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach Verbüssung dieser Strafe kam es im
folgenden zu mehreren Kurzfreiheitsstrafen wegen Diebstahls und Urkundenfälschung, 1891
wurde er wegen gemeinschaftlichen schweren Diebstahls im Rückfall zu 15 Jahren Zuchthaus
verurteilt. Er hatte versucht, die Gerichtskasse von Wongrowitz zu stehlen. Auch diese
Strafe büsste er vollständig ab.
Danach fand er eine Stelle bei einem Schuster in Wismar, wurde jedoch nach drei Monaten
von der Polizei aufgrund seiner Vorstrafen ausgewiesen. Auch eine Arbeitsstelle in Berlin
verlor er, weil er erneut ausgewiesen wurde. Die Verteidigung legte im Prozess
Bescheinigungen vor, aus denen sich ergab, daß Voigt noch aus 30 anderen Orten
ausgewiesen worden war.
Er habe sich mit dieser Aktion lediglich einen Pass besorgen wollen, erklärt Voigt in
seiner Vernehmung durch den Kammervorsitzenden. Der Prozess wurde von der Öffentlichkeit
mit sehr großem Interesse verfolgt. Die harte Ausweisungspraxis in einem menschlichen
Schicksal verkörpert zu sehen, die Erscheinung des Angeklagten, die flüssige
Erzählweise und das Genie seiner Aktion trugen ihm breite Sympathien ein.
Nach seiner Entlassung aus der Strafhaft bereitete ihm eine begeisterte Menschenmenge
-Berichte sprechen von 10000 Berlinern- einen grandiosen Empfang.
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