Die Geschwister Scholl

22.02.1943, Gefängnis Stadelheim. Sophie Scholl, 21 Jahre alt und Hans Scholl, 24 Jahre alt, sterben unter dem Fallbeil.

Kurz zuvor war der Strafprozeß von den Richtern des Volksgerichtshofs gegen sie durchgeführt worden. Den Vorsitz führte der hierzu eigens aus Berlin gerufene Roland Freißler, derselbe Richter, der auch den Prozeß gegen die Männer des 20. Juli führte. Freißler führte den Prozeß in der Weise, wie er aus den Filmaufnahmen der Prozesse gegen die Männer des 20. Juli 1944 bekannt ist, er verhöhnte die Angeklagten, schüchterte ein und schrie mit sich überschlagender Stimme.

Das Publikum war sorgfältig ausgesucht, treue Parteigenossen, Blockwarte, SA-Leute und deren Angehörige.

Was hatten die Geschwister Scholl und ihre Freunde getan?

Anfang Mai 1942 hatte Sophie Scholl ihr Studium der Fächer Biologie und Philosophie an der Universität München begonnen, nachdem sie vorher Arbeitsdienst- und Kriegsdienstverpflichtung verrichtet hatte. Kurz zuvor war ihr Vater, ein Steuer- und Wirtschaftsberater in Ulm, weltoffen und liberal, verhaftet worden, nachdem er von einer Angestellten seines Büros denunziert worden war, er habe Hitler als eine Gottesgeißel bezeichnet. Auf Widerruf war er freigelassen worden, weil einige seiner Klienten sich mit dem Hinweis auf die Kriegswichtigkeit ihrer Produktion für ihn eingesetzt hatten.

Sophies Bruder studierte bereits in München Medizin, war allerdings einer Studentenkompanie zugeteilt worden, d. h., daß sein Studium von Wehrübung und Fronteinsatz unterbrochen wurde. Seit 1942 hatte es von der Münchener Universität Flugblätter gegeben, die in Fensternischen auf Mauervorsprüngen und auf der Treppe lagen, überschrieben waren mit "Die Flugblätter der Weißen Rose" und auf hohem akademischen Niveau Widerstand formulierten gegen das, was in Deutschland passierte. Sophie Scholl war zunächst nicht eingeweiht, ihr Bruder und einige Freunde verteilten diese Flugblätter, die sie nachts heimlich hektographierten. Die Flugblätter wurden nicht nur an der Uni verteilt, sondern per Reichspost an Ärzte, Pfarrer, Architekten, Dozenten, Redakteure, Anwälte und andere Vertreter der gebildeten Mittelschicht versandt.

Die Flugblätter wurden zunehmend politischer, enthielten Informationen über die Aktivitäten der SS und der Sicherheitspolizei in den besetzten Gebieten, die Greuel an der Zivilbevölkerung, die Mordmaschinerie an Zivilisten. Die Protestaktionen der Gruppe aus dem Untergrund wurden immer häufiger, die Flugblätter tauchten auch in anderen deutschen Universitätsstädten an den dortigen Universitäten auf. An der Münchener Universität standen im Februar 1943 plötzlich mit meterhohen Buchstaben geschriebene Parolen wie "Nieder mit Hitler", "Freiheit", "Hitler der Massenmörder" und überall durchgestrichene Hakenkreuze. Die Gestapo hatte klare Weisung, dem Treiben ein Ende zu bereiten, konnte jedoch den sehr geschickt und konspirativ arbeitenden und auch vom Glück begünstigten Freunden nicht habhaft werden.

Am 18. Februar gehen Hans und Sophie Scholl zur Universität. In einem Koffer hat sie 1.800 Flugblätter, da Vorlesungen stattfinden, sind die Gänge menschenleer. Sie verteilen die Flugblätter in den Gängen, legen sie auf Treppen, Mauervorsprünge, auf die Fensterbänke und laufen die Treppen hinaus bis ins 2. Stockwerk, von wo aus sie die noch übriggebliebenen Flugblätter in den Hof hinunterflattern lassen. Beim Herauseilen mit dem leeren Koffer werden sie vom Hausmeister der Universität, einem SA-Mitglied verhaftet.

Der mit dem Todesurteil endende Prozeß fand nur vier Tage später statt und dauerte nicht länger als einen Tag.

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